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Abstract  
A description of a colony of fifteen Common Swifts consisting of 13 non-breeders and one breeding pair that raised a late brood after being attacked by starlings. During the regular breeding season the nesting site was the focus of many flying displays. After all the other Swifts had left on the fall migration, the two late-rearing parents began to hunt beyond the boundaries of the previous territory.
 
  
ULRICH TIGGES:

Beobachtungen am Mauersegler (Apus apus) und Bericht über eine Spätbrut 1993

1.    Vorgeschichte

1.1.      Konstruktion eines Nistgerätes

Noch vor fünf Jahren waren in einem Radius von ca. 150 m um einen Beobachtungsort in Berlin-Neukölln herum drei Stellen an Häusern bekannt, die von Mauerseglern regelmäßig aufgesucht wurden. Von 101 Straßengebäuden in diesem Gebiet wurden 62 von Renovierungs- und Rekonstruk­tionsarbeiten betroffen, dabei sind alle drei Plätze für die Tiere unbrauchbar geworden. 1988 baute ich einen Mauerseglernistkasten. Zu den Vorbedin­gungen gehörte, dass das Gehäuse unauffällig in eine historisch-restaurierte helle Fassade integriert und möglichst windschlüpfrig angebracht werden sollte. Als optimale Lösung erwiesen sich naturbelassenes Kiefernholz und der Einbau unter einem Fenstersturz.

Da Mauersegler bekanntermaßen Koloniebrüter sind, konstruierte ich einen Doppelkasten. Zu diesem Zweck erschien es ratsam, die seinerzeit vom Deutschen Bund für Vogelschutz, LV Berlin e.V., empfohlenen Maße der künstlichen Nisthöhle (276 x 172 x 112 mm) quer zu legen, so dass die Box mit ihren Außenmaßen nicht mehr als fünf Zentimeter in die Straßenfront hineinragen und im Inneren genügend Raum zwischen den Nestern bleiben würde. (Die drei in späteren Jahren auf der windgeschützten Hofseite installierten Nistkästen die den o. g. Empfehlungen entsprachen, wurden bis heute nicht besetzt.) Der Innenraum der entsprechend angepassten Wohnhöhle erhielt die Maße 852 x 175 x 118 mm. Da jedes Paar einen eigenen Zugang zum Nistplatz benötigt (Kaiser 1993), wurden zwei Einfluglöcher in der Mitte des zur Straße gerichteten Brettes ausgesägt. Die Maße betrugen 33 x 63 mm für das westliche und 38 x 64 mm für das östlich gelegene Loch; der Abstand zwischen ihnen lag bei 23,5 cm. Sie unterschieden sich damit von den Abmessungen, die im o. g. Merkblatt und von anderen Autoren (Glutz von Blotzheim & Bauer 1980, Kaiser 1993, Bolund 1987, Thurston 1991) angegeben wurden. Die Stoßflächen der Bretter wurden mit Baumwollfäden ausgestopft und mit Wachs zugluftsicher verschlossen.

Der ganze Kasten wurde im IV. Obergeschoss auf zwei schienenförmige Holzleisten direkt unter dem Sturz eines nach NNE zeigenden Fensters angebracht. Der Standort ist Erlanger Straße 11, die Entfernung zum Rat­hausturm Neukölln beträgt 300 m Luftlinie.

1.2. Inbesitznahme des Nistgerätes

Am 11.4.1988 wurde die Holzbox aufgehängt. Ein Jahr später, am 25.4.1989 wurde sie von Staren besetzt. Am darauffolgenden Tag begannen sie mit dem Eintrag des Nistmaterials und konnten erfolgreich eine Brut aufziehen. Während des gesamten Brutvorgangs räumten sie eindeutig der größeren Einflugöffnung den Vorrang ein, während die kleinere gelegent­lich wie zum Spiel benutzt wurde.

Im selben Jahr flogen die Mauersegler das erste Mal am 20.6. mit offen­sichtlichem Interesse an dem Gehäuse vorbei. Im Jahre 1990 wurden die beiden Hälften des Nistkastens durch eine Wand aus Pappe getrennt. Die östliche Hälfte besetzte ein Starenpaar, dessen Brut am 19.5. ausflog. Am 18.6. wurde diese Hälfte von Mauerseglern gründlich untersucht und offenbar sofort besetzt. Am 23.6. kehrten die Elternstare zurück. Sie schauten in ihre alte Höhle und ließen irritiert von ihrem Wohnplatz ab. Am 26.6. wurde ein einzelner Mauersegler mehrmals dabei beobachtet, wie er in die westliche Hälfte des Kastens flog.

Am 22.6.1990 konnten abends erstmalig die jeweils letzten Einflüge der beiden Mauersegler um 21.30 Uhr bzw. 21.40 Uhr beobachtet werden. Seit diesem Tag ist die östliche Hälfte der Nistbox dauernd von Mauerseglern besetzt. Entgegen den Angaben von Hayman (1985) suchte das Pärchen die Höhle regelmäßig relativ früh am Abend auf. Die Hinweise, dass Mau­ersegler bis weit in die Dämmerung hinein aktiv seien, könnten sich demnach in erster Linie auf fütternde Alt- und nistplatzlose Jungvögel beziehen. Ab 3.8.1990 übernachtete nur noch ein Tier im Kasten, ab 5.8. blieb er leer.

1991 wurde das östliche Loch bis zum 1.5. wegen der Stare versperrt. Die Beobachtungen begannen am 27.5.: frühes, gleichzeitiges “Einkästeln“ beider Tiere um 20.40 Uhr. Am 1.7. flogen drei Segler um 21.35 Uhr ein, am 2.7. ebenfalls drei Tiere (um 20.00 Uhr zwei, um 21.30 Uhr ein drittes). Am 5.6. flog ein Star in den östlichen Teil und verließ ihn mit einem weißen Gegenstand im Schnabel. Am 7.7. konnte man Piepsen von Mauerseglern und am 4.8. Flügelschlagen vernehmen, am 13.8. wurden zwei Jungtiere im Flugloch beobachtet. Am 15.8.1991 verließen sie den Nistkasten. Bei den Staren gab es keine Brut. Zwar bereitete das vermutlich männliche Tier den Nistraum vor, konnte jedoch keinen Partner zum Brut­geschäft gewinnen. Die ganze Saison hindurch versuchte es, die Einflug­öffnung durch Hämmern mit dem Schnabel zu vergrößern, was jedoch nicht möglich war.

Zur Brutsaison 1992 wurden am Nistgerät der noch von den Staren einge­brachte Bodenbelag entfernt und an jeder Hälfte eine Beobachtungsklappe angebracht. Das westliche Einflugloch wurde auf 37 x 63 mm vergrößert und zusammen mit dem östlichen Loch bis Ende April versperrt. Am 19.5. fand ich folgende Situation vor: um 14.39 Uhr hielt sich ein Mauersegler im Nistkasten auf und rief. Während des ganzen übrigen Tages flog immer wieder ein Star in die östliche Boxhälfte. Die Mauersegler behielten die Oberhand, die Stare gelangten wiederum zu keiner Brut.

Bei einer Kontrolle der Brutbox am 1.6. befanden sich zwei Mauersegler­eier in und eines außerhalb des Nestnapfes. Erwartungsgemäß (siehe Glutz von Blotzheim & Bauer 1980) wurde das von mir zurückgelegte Ei (Abb. 1) wieder aus dem Nestring entfernt. Später muss dennoch ein weiteres Ei gelegt worden sein, denn drei juv. schlüpften (Abb. 2). Am 16.7.1992 konnten ihnen um 20.30 Uhr Ringe der Vogelwarte Radolfzell angelegt werden. Zu diesem Zeitpunkt hatten die Jungen folgende Gewichte: S48404 (53 g), S48405 (50 g), S48403 (49 g).

Plate 1 Nest with three eggs of the Common Swift

 

Plate 2 Young Chicks of Common Swift

Leider bestätigte sich nach der Beringung eines Altvogels (S48406) die bei Glutz von Blotzheim & Bauer (1980) beschriebene Erfahrung, und die Eltern verließen die Brut. Die Jungvögel wurden daraufhin erfolgreich von Uwe Kühn, Berlin, großgezogen und zum Ausfliegen gebracht (das erste und schwerste Tier am 23.7. und die beiden leichteren am 25.7.1992, um 8.00 bzw. 8.30 Uhr).

Auf Grund der bei der Beringung gemachten Erfahrung beschloss ich, zukünftig alle anthropogenen Störungen von den Alttieren fernzuhalten, sofern sie sich zu einer Rückkehr zum alten Nistplatz entscheiden sollten.

2.    Beobachtungen während einer Spätbrut 1993

2.1. Besetzung des Nistkastens

Bei der Kontrolle des Nistkastens Anfang April 1993 stellte ich fest, dass der vorjährige Brutnapf der Mauersegler durch die Stare vollständig entfernt war. Um den Platz für die Mauersegler frei zu halten, wurde das östliche Loch bis Ende April versperrt. Die Stare brüteten in der westlichen Hälfte der Holzbox.

Am 9.5. konnte der erste Flug von Mauerseglern durch die Erlanger Straße beobachtet werden, am 10.5. zeigten sie deutliches Interesse am Nistplatz. Am 11.5. bemerkte ich zwei Anflugversuche der Mauersegler, die durch den regen Fütterungsverkehr bei den Staren jedoch nicht gelangen. Einen Tag später hing um 19.17 Uhr ein Tier am Einflugloch der Stare und schaute in den Innenraum. Um 20.45 Uhr endlich enterte ein Mauersegler die östliche Hälfte des Nistkastens. Im Anschluss daran ließ er einen lauten Srih-Ruf vernehmen. Daraufhin schaute ein Star aus “seinem“ Einflugloch und äugte in alle Richtungen. Später war ein Abklopfen der Pappscheide­wand (ca. 10 x) zu vernehmen.

Am nächsten Tag begannen die Stare die Mauersegler systematisch zu vertreiben und zwar nicht nur Einzeltiere, sondern auch die durch die Straße fliegende Gruppe. Zu diesem Zweck blieb nun regelmäßig ein Alttier bei der Brut und hielt Wache. Dazu setzte es sich auf die Regenrinne oder die Antenne dieses oder des gegenüberliegenden Hauses. Seltener blieb es im Nistkasten und kontrollierte das Geschehen durch die Einschlupföffnung hindurch. War ein Elterntier gerade beim Füttern der Jungen oder mit einer anderen Tätigkeit in der Brutbox beschäftigt, kam es sofort ans Flugloch, sobald Mauerseglerrufe in der Nähe zu hören waren. Von ihren Ansitzen aus vergrämten die Stare alle Mauersegler, die in Höhe des Nistkastens (± zwei Meter) durch die Straße flogen. Dabei verhielten sie sich so, dass sie nie direkt auf die Segler zuflogen, sondern immer in einem spitzen Winkel schräg in ihre Flugrichtung.

In der Dämmerung versuchten zwei Mauersegler, in die vorjährige Nist­höhle zu gelangen, wurden aber vertrieben. Bis weit in die Dunkelheit hinein (ebenso am nächsten Tag) bemühte sich das Paar dann, in der Straße einen anderen Unterschlupf zu finden. Dabei schienen die Tiere sich regelrecht in zu enge Öffnungen hineinzwängen zu wollen. Dieses Ver­halten bei der Nistplatzsuche weist auf eine ausgesprochene Nistplatz­bindung hin (Bezzel 1985), die beim Mauersegler wohl im Zusammenhang mit dem dazugehörigen Territorium gesehen werden muss.

Am 17.5. erschien ein Mauersegler erst bei fast völliger Dunkelheit um 21.35 Uhr und versuchte, in die Nisthöhle zu gelangen. Er unternahm neun Vorbeiflüge. Zu diesem Zeitpunkt befanden sich die jungen Stare noch im westlichen Kasten.

  May    June July   August  September
 Day 1st bird 2nd bird 1st bird 2nd bird 1st bird 2nd bird 1st bird 2nd bird 1st bird 2nd bird
1           21.44 21.49       20.13
2      21.32 21.32 21.16 21.16        
3         21.48 21.49     19.59 20.01b
4                 20.06 20.08b
5     21.40 21.40     21.11 21.14 20.05 20.08bc
6     21.17 21.17b       20.59 - 19.55
7         20.48 20.48c     - -
8     17.00 17.00  
E
  21.17d    
9     17.08 17.20 21.40 21.40 21.00 21.01    
10     21.50 21.50  
E
  21.17b    
11   -                
12   20.45 21.30 21.30   21.47 20.59 21.03b    
13   20.47 21.58 22.00d            
14     21.45 21.47            
15   -           20.47b    
16       21.32     20.46 20.51    
17 - - 21.58 22.00   21.38d 20.37 20.44    
18 - - 21.36 21.41     20.38 20.44    
19 21.05 21.05       21.39 20.43 20.44b    
20 21.06 21.07         20.33 20.40c    
21 20.57 20.57d   21.25            
22   21.02          
T
   
23 21.04 21.07         20.33 20.37d    
24 21.20 21.20b     21.30 21.30 20.24 20.32    
25 21.23 21.27b     21.36 21.36   20.20    
26   21.25 21.52     21.27 20.29 20.29    
27 21.29 21.31 21.43 21.53c   21.15d 20.21 20.23c    
28 21.25 21.32 21.57 21.45 21.24 21.29 20.21 20.27bc    
29     21.45 22.01b 21.11 21.26dH 20.16 20.19    
30 20.54 20.56dT   21.52b   21.31 20.10 20.21d    
31 21.39 21.42       21.23d   20.14d    

d dark, b blue sky, c cold, T thunderstorm, E egg, H hatching out, - no entry

Table 1 Final evening return to nest 1993 (CEST)

Am 17.5. war der Brutbetrieb in der Starenhälfte der Nisthöhle beendet. Erst nach zwei weiteren Tagen, am 19.5., wagte es das Mauerseglerpaar, seinen angestammten Nistplatz wieder in Besitz zu nehmen, und übernach­tete von diesem Tag an in dem Kasten (Tabelle 1). In den folgenden Tagen herrschte schlechtes Wetter (Regen, Gewitter). Die Segler hielten sich lange in ihrer Nisthöhle auf und ließen leises Wispern vernehmen.

2.2. Brutverlauf 1993

Die Neuerrichtung des Nestringes war am 2.6. in vollem Gange und zwar an der alten, von der Einflugöffnung am weitesten entfernt liegenden Stelle, wie es Kaiser (1984) bereits beobachtete. Der Bau des Napfes begann an dem Punkt, der dem Eingang am nächsten lag. Am 6.6. konnte ein Tier mit deutlich verdicktem Hals und am 9. Juni mit reichlich Nistmaterial im Schnabel beim Einfliegen beobachtet werden. Am selben Abend befanden sich um 21.15 Uhr beide Altvögel im Kasten. Sie antworteten öfter auf die Rufe des vorbeifliegenden Trupps (vgl. Abb. 4).

Folgender weiterer Zeitablauf wurde beobachtet:

- Der Nestwall war am 12.6. geschlossen und etwa 0,5 cm hoch. Zwei Eier lagen außerhalb, die ich am 14.6. entfernte.

- Am 8.7. um 20.19 Uhr wurde ein Ei im Nestring vorgefunden, ein zweites konnte am 10.7. um 20.20 Uhr, ebenfalls nach dem Ausfliegen eines Altvogels, registriert werden.

- Die ersten Laute eines Jungtieres wurden erwartungsgemäß am 29.7. ver­nommen. Bei einer Kontrolle am 30.7. lagen zwei Junge von unterschied­licher Größe im Nestring.

- Einer Strichkontrolle der Ein- und Ausflüge zufolge, waren am 10.8. drei Tiere zum Übernachten in die östliche Hälfte der Nistbox eingeflogen. Am 17.8. konnte diese Beobachtung bestätigt werden.

- Am 26.8.1993 erfolgte die Beringung der Jungvögel: S49101 (60,1 g), S49102 (54,8 g). Die Gewichtswerte lagen deutlich über dem bei Glutz von Blotzheim & Bauer (1980) angegebenen Mittel des Maximums von 52,1 g bei Jungen mit einem mittleren Alter von 28,5 Tagen.

Am 5.9. übernachteten noch beide Altvögel am Nestplatz, am 6.9. nur noch einer. Am 7.9. flog kein Altvogel mehr ein. Um 19.42 Uhr schauten beide Jungtiere aus dem Schlupfloch, um 20.12 Uhr flog eines von ihnen aus. Bei der Kontrolle am nächsten Tag um 16.20 Uhr war der Nistkasten verwaist. Auf das nächtliche Ausfliegen machte schon Kaiser (1984) aufmerksam.

In der Literatur finden sich häufig Erwähnungen von Spätbruten (Bezzel 1985, Dürnberg 1985, Glutz von Blotzheim & Bauer 1980, Gorgass 1985, Kellner 1986). Zuletzt zählte Hellmann (1992) aufgrund von eigenen Beobachtungen und weiterer Literaturauswertung sechs Bruten auf, die z. T. bis in den Oktober hinein von den Elterntieren versorgt wurden. Hier war der Witterungsverlauf im Frühsommer die Ursache für die späte Reproduktion der Altvögel.

Im vorliegenden Fall handelte es sich sicher um ein Nachgelege, auch wenn die Identität der Altvögel bei beiden Gelegen nicht zweifelsfrei feststand.

3.  Verschiedene Verhaltensweisen

Gruppenflüge

Neben den regelmäßigen Vorbeiflügen, bei denen die Gruppenmitglieder meist erst in Höhe der Holzbox zu rufen begannen und aus dem Kasten Antwort erhielten, fanden auch zahlreiche Kreisflüge vor der Bruthöhle statt. Im Unterschied zu den Vorbeiflügen, bei denen Teile oder alle Angehörigen der Gesellschaft (seltener auch Tiere anderer Gruppen) teils mitten durch die Straße, teils mit Abweichung zum Nistkasten hin vorbeiflogen, handelte es sich bei den “Kreisflügen“ um kreisförmige Flugmanöver mit ebenfalls deutlicher Korrelation zum Bruthöhleneingang, wobei dieser direkt an der Kreisbahn lag und oft der höchste Punkt im Raum war. Es konnten nur Linkskreise beobachtet werden.

Getrennte Gruppen

Die Gesellschaft, zu deren abendlichem Aktionsgebiet die Erlanger Straße gehörte, hielt sich - trotz gelegentlicher Vermischungen - in deutlicher Distanz zu der nachbarlichen Gruppe auf. Zu ihrem abendlichen Aufent­haltsraum gehörte der Rathausturm, der vom Trupp der Erlanger Straße nur selten, und dann in Gemeinschaft mit der anderen Gesellschaft, umflogen wurde. Wie die gesellschaftlichen Verhältnisse in westlicher Richtung geordnet waren, ist nicht bekannt, da sie außerhalb des Beobachtungs­horizontes lagen. Es hatte den Anschein, dass sich ein weiteres Zentrum nahe der Kreuzung Hermannstraße/Karlsgartenstraße befand.

Da dem Mauersegler kein Revierverhalten zugeordnet werden kann [vgl. die Definitionen bei Dathe (1978) und Hentschel & Wagner (1990)1, empfiehlt es sich, den Raum, der Schauplatz gewisser Verhaltensmuster ist, durch einen biologisch nicht besetzten Terminus zu beschreiben. Daher verwende ich hier den Begriff ‘Kiez‘.

Die Mauersegler flogen in den Abendstunden vornehmlich in ihrem eigenen Kiez, der dadurch deutlich vom Nachbargebiet zu unterscheiden ist. Die Ost-West-Achse des Gebietes war etwa 150 m lang (Erlanger Straße, Sasar­steig). Grenzüberschreitungen einzelner Tiere oder ganzer Gesellschaften waren jedoch ohne bemerkbares Abwehrverhalten der Gebietsinhaber möglich, zumindest konnte bisher bei den dann stattfindenden “sozialen Flugspielen“ (Bezzel 1985) kein ungewöhnliches Verhalten festgestellt werden. Bei Zügen zu entfernteren Jagdgebieten dürften Grenzüberschrei­tangen ebenfalls stattfinden.

Jagen mit geöffnetem Schnabel

In den Abendstunden, wenn die Strahlen der untergehenden Sonne die Mauersegler frontal oder bereits ventral beschienen, wurde durch das Aufleuchten des rötlich-gelben Rachens offenbar, dass Mauersegler auch das Käschern beherrschen. Mit dem Fernglas konnte beobachtet werden, dass die Öffnung des Schnabels zwei Sekunden und mehr dauerte und nicht auf ein Geradeausfliegen beschränkt war.

Quartiersuche und Flugmuster

Vor allem ab dem Monat Juli konnten die Mauersegler bei der Höhlensuche beobachtet werden. Einige Male flog ein Tier in die westliche Hälfte der Nistbox. Solche Suchflüge fanden einzeln oder zu zweit, meist jedoch im Verband von drei bis sieben Tieren statt. Sobald ein Tier in die Höhle schlüpfte, konnte für geraume Zeit ein weiteres Flugmuster beobachtet werden, das drei bis viermal wiederholt wurde: Der Flugverband flog aus der Tiefe der Straße vertikal bis vor den Nistkasten, wo er sich teilte und ein Teil nach rechts, der Rest nach links abschwenkte. Das ganze Manöver geschah in der gewöhnlichen rasanten Geschwindigkeit und wurde von lauten Rufen begleitet.

Weitere Beobachtungen

Im Jahr 1993 kam es zweimal zur Abwanderung der meisten Tiere aus dem Kiez, vermutlich handelte es sich dabei nach den herrschenden Wetterverhältnissen um zyklonale Wetterflüge (Glutz von Blotzheim & Bauer 1980). In dieser Zeit konnten zunächst fünf, dann vier Tiere gezählt werden, von denen zwei das beobachtete Brutpaar bildeten. Bei zwei der anderen Tiere handelte es sich offenbar ebenfalls um ein Brutpaar, das vermutlich im östlichen Nachbarkiez am Haus Isarstraße 3 seinen Sitz hatte. Beide Paare flogen meist allein in ihrem jeweiligen Kiez, was ein weiterer Hinweis darauf ist, dass es deutlich voneinander getrennte Aufenthaltsräume der beiden Mauerseglergesellschaften gibt. Ferner machen diese Beobachtungen deutlich, dass von den 15 Tieren, die die Gemeinschaft der Erlanger Straße umfasst, 13 als Nichtbrüter gezählt werden müssen. Auch in der Nachbargesellschaft ist augenscheinlich nur ein Brutpaar integriert.

Eine Dreiergruppe?

Ein drittes Tier tauchte vom ersten Besetzen des Nistplatzes 1990 an immer wieder auf. Damals verbrachte ein Einzeltier einen Tag nach der Inbesitz­nahme der östlichen Hälfte durch das Brutpaar eine Nacht im westlichen Teil und hielt sich auch gelegentlich dort auf. Am Himmel konnte häufiger eine Dreiergruppe gezählt werden, die durch gemeinsame Manöver auffiel. Auch bei den zyklonalen Wetterflügen wurden - zumindest zeitweilig - drei, bzw. fünf Tiere beobachtet, so dass der Gedanke an eine stete Begleitung des Brutpaares durch ein Einzeltier aufkam. Unterstrichen wurde diese An­nahme noch durch eine weitere Beobachtung. Beim abendlichen letzten Anflug des zweiten Alttieres konnte ich wiederholt bemerken, dass es von einem dritten Mauersegler eskortiert wurde. Diese Begleitung war manch­mal so eng, dass das ganze zum “Einkästeln“ notwendige, komplizierte Flugmanöver bis unmittelbar vor das Einflugloch mitvollzogen wurde. Es unterschied sich lediglich durch das rechtzeitige “Hochziehen“ oder durch ein Wendemanöver auf den letzten Zentimetern. Danach schloss sich dieses Tier - früher im Sommer - dem restlichen Trupp an. Später, nachdem alle Mauersegler abgezogen waren, flog es allein in die Nacht.

Abflug in das Winterquartier

Am 12.8. wurden sechs, am 15.8. drei und ab dem 19.8.1993 nur noch die bekannten zwei Mauersegler am Himmel gezählt. Mit dem Abzug der Segler nach Süden hielten die Tiere sich nicht mehr, wie sonst in den Stunden vor dem letzten Einfliegen üblich, im Kiez, also in der Nähe des Nistplatzes auf, sondern jagten regelmäßig außerhalb des Beobachtungs­feldes. Offenbar war ein Druck, der von der Anwesenheit anderer Gesell­schaften ausging, entfallen. Während der Solitärzeit flogen die Altvögel nach Verlassen des Nistkastens nur noch nach Westen ab.

4.   Zur Bioakustik einiger Rufe

Mit dem Kassettenrekorder Sony WM-D6C und dem dynamischen Mikro­fon mit Nieren-Richtcharakteristik Sennheiser MD 421 wurden verschie­dene Rufe aufgenommen. Die Töne wurden mit dem Avisoft-Sonagraphen von R. SPECHT (Berlin) mittels eines Analog-Digital-Wandlers sichtbar gemacht.

Bei Glutz von Blotzheim & Bauer (1980) sowie Bergmann & Helb (1982) werden Sonagramme im Frequenzbereich bis 8 Kilohertz abgebildet. Mit diesem Schema werden Töne, die höher als 8 kHz sind, nicht erfasst. Wie sich bei meinen Lautanalysen herausstellte, verfügen die Stimmen der Mauersegler neben den Grundtönen sowohl über Ober- als auch über Untertöne. Unter einem Oberton versteht man Töne, deren Schwingungs­zahlen ein Mehrfaches des Grundtones ausmachen. Sie sind maßgeblich für die Klangfarbe eines Tones verantwortlich. Meist sind Obertöne von schwächerer Lautstärke (in unbearbeiteten Sonagrammen durch schmalere Bänder und eine geringere Schwärzung dargestellt). Auch dies mag ein Grund dafür sein, dass sie in den beiden Standardwerken nicht zu einer Abbildung gelangten. Im folgenden (Abb. 3) wurde die Lautstärke der Ober- und Untertöne zur Verdeutlichung überhöht. Die Breite der gezeich­neten Tonbänder kann im Vergleich mit den Grundtönen in dieser Dar­stellung also nicht als Maßstab für ihre Lautstärke herangezogen werden.

Plate 3 Sonagram of the swee-ree calls of a group of Common Swifts chasing each other along a street

Die erste zeichnerische Darstellung von Lautäußerungen der Mauersegler zeigt die klassischen Srih-Srih-Rufe eines durch die Straße jagenden Trupps (Abb. 3). In diesem kurzen, knapp vier Sekunden dauernden Ausschnitt werden die unterschiedlichen Klangqualitäten abgebildet. Am linken Bildrand sind zunächst zwei sich nahezu überlagernde Rufe zu sehen. Das zweite Srih setzt gut eine zehntel Sekunde nach dem ersten ein. Der Unterton gehört zum ersten Ruf, der (sehr schwache) Oberton zum Schrei des zweiten Individuums. Der vierte Ruf besitzt weder einen Ober- noch einen Unterton. Die Rufe Nr. 5 und 6 weisen deutlich ausgeprägte Unter­töne auf und die Srihs Nr. 8 und 9 jeweils zwei Obertöne und einen schwachen Unterton.

Bei der Abb. 4 handelt es sich um eine Rufreihe der beiden sich im Nist­kasten befindenden Alttiere, die sie als Reaktion auf die durchziehende und rufende Gesellschaft anstimmten.

 

Plate 4 Duet of the breeding pair in the nest box

Bei anderen Untersuchungen wurden des weiteren zweigeteilte Srih-Rufe bemerkt. Nicht immer hörbar, wurde ihre Existenz durch die grafische Darstellung der Klangaufzeichnung sichtbar. Bei dem letzten Ruf eines Alttieres am 6.9.1993 in der Nistbox ist dieses “Stimmversagen‘ auch hör­bar gewesen und drückt sich im Sonagramm durch eine breite Lücke aus (Abb. 5). Es bleibt zu prüfen, ob es sich bei diesem Vorfall um eine individuelle Eigenart handelt oder ob er spezifisch ist.

Plate 5 A "broken" swee call

Abb. 6 zeigt die Aufzeichnung der Geräusche vom Einschlüpfen eines Alttieres, dem Laufen zum Nest und der wispernden Jungtierstimmen.

Plate 6 Calls of two chicks after a parent had entered the nest box

5.   Ausblick

Mauersegler sind sozial lebende Wesen. Sie sehen sehr gut. Die Tiere flie­gen bis weit in die Dämmerung hinein und können dennoch die grau-schwarzen Gestänge der Fernsehantennen vor dem unruhig-dunklen Hinter­grund von Dächern und Himmel erkennen und mit in ihre blitzschnellen Flugmanöver einbeziehen. Bei ihren Nachtflügen müssen sie sich auch im Dunkeln orientieren können. Tagsüber vermögen sie trotz ihrer enormen Jagdgeschwindigkeiten Schwebfliegen und Drohnen von Wespen und Bienen zu unterscheiden (de Roo 1993). Man sollte daher annehmen, dass die Tiere sich untereinander vom Sehen her genau kennen, zumal sie selbst Artfremde, z. B. Menschen, identifizieren können (Glutz von Blotzheim & Bauer 1980). Dieses individuelle Kennen dürfte darüber hinaus nicht auf die eigene Gesellschaft beschränkt sein, weil der Kontakt mit Nachbargruppen sehr rege ist. Auch auf den zyklonalen Wetterflügen, an denen bis zu mehrere Hundert Individuen teilnehmen können (Glutz von Blotzheim & Bauer 1980), bieten sich Gelegenheiten des Kennenlernens ebenso wie die eines Gruppenwechsels.

Während der Brutzeit kam es regelmäßig sowohl von Einzeltieren als auch vom ganzen Trupp zu Anflügen an das Einflugloch der Nisthöhle. Unter­suchungen von Kaiser (1992) zufolge dient dieses Verhalten der Inspektion von Nistplätzen, es dürfte darüber hinaus jedoch auch mit dem Zusammen­halt der Gruppe in Verbindung zu bringen sein.

Der Großteil der verschiedenen Rufe dürfte ebenfalls diesem Themenkom­plex zuzuordnen sein. So konnte ich feststellen, dass das auf dem Nest sit­zende Tier auf Rufe des vorbeifliegenden Partners antwortete. Wenn beide Partner in der Bruthöhle saßen, waren einzelne, häufiger jedoch duettartige Rufe zu hören, wie sie auch von umherfliegenden Tieren vernommen werden können. In Anlehnung an Flint (1989) und Thielcke (1970) ist vorstellbar, dass derartige Vorträge auch bei Mauerseglern der Paarbindung dienen. Weiter dürften akustische Signale auch dazu verwendet werden, sich “persönliche kennen zulernen und Kontakte zu pflegen oder um ganz allgemein der Gruppenbindung zu dienen. Die Untersuchungen von Kaiser (1992) über die Populationsdynamik deuten an, wie lange und daher auch wie gut sich die Tiere einer Gesellschaft kennen. Mindestens 25 % der Nichtbrüter in der von ihm erforschten Kolonie kehrten “Jahr für Jahr“ in sie zurück und 42 % dieser Rückkehrer konnten dort später als Brutvögel nachgewiesen werden. Man darf also annehmen, dass ein Trupp genau darüber im Bilde ist, was im Kiez und auch in der Nachbargruppe gerade vor sich geht.

6.   Zusammenfassung

Eine Gesellschaft von ca. 15 Mauerseglern wird beschrieben, zu der ein Brutpaar gehört, dessen Nistplatz das Zentrum des engeren Aufenthaltsraumes dieser Gesellschaft darstellt. Dieser Raum, in dem abends fast exklusiv alle Aktivitäten der Gruppe stattfinden, ist deutlich vom Aktionsraum einer nachbarlichen Gruppe abgegrenzt; er wird Kiez genannt. Die Niststätte ist während der (regulären) Brutzeit Ort von sozialen Vorbei- und Bezugspunkt linksdrehender Kreisflüge.

Infolge von Störungen durch Stare verzögert sich 1993 der Brutbeginn. Am 9.7. und 10.7. je ein Ei des Nachgeleges. Zwei Junge schlüpfen nach 21 (20) Tagen und werden von beiden Elternteilen erfolgreich großgezogen. Ausflugtermine sind der 7.9. (20.12 Uhr) und 8.(?).9. Nach dem Wegzug der Mauerseglergesellschaften dehnt das Spätbrüterpaar die abendlichen Jagdflüge sofort über seinen Kiez hinaus aus.

Literatur

Bergmann, Hans-Heiner & Helb, Hans-Wolfgang (1982): Stimmen der Vögel Europas. München

Bezzel, Einhard (1985): Kompendium der Vögel Mitteleuropas, Nonpasseriformes. Wiesbaden

Bolund, Lennart (1987): Nest Boxes for the Birds of Britain and Europe Nottinghamshire

Dathe, Heinrich (1978) in Tembrock, Günter (Hrsg.): Verhaltensbiologie. Jena

Dürnberg, Hans Helmut (1985): Spätbrut des Mauerseglers (Apus apus). Ornithologische Mitteilungen 37: 48

Flint, V. E. (1989) in Il’icev, V. D. & Flint, V.E. (Hrsg.): Handbuch der Vögel der Sowjetunion. Bd. 4, Wittenberg Lutherstadt

Glutz von Blotzheim, Urs N. & Bauer, K.M. (1980): Handbuch d~ Vögel Mitteleuropas. Bd. 9. Wiesbaden

Gorgass, Werner (1985): 50 Jahre am Nest des Mauerseglers. Der Falke 32: 244-24

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(Printed 1994 in Berliner ornithologischer Bericht. Republished with permission.)

© APUSlife 2001, No. 0195
ISSN 1438-2261

 
 
 
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