Go to the previous articleGo to the next articleGo to table of contentsGo to magazine home pageGo to Swift home

 

Abstract 
It is possible to settle down Swifts (Apus apus) to new nesting sites if they are directed well . With the help of recorded nesting calls the birds were led to a newly built wooden nestbox. The attraction to the surrogate breeding place was so strong that the Swifts changed their usual flying behaviour in this special case of little space in front of the nestboxes.
T.

 

ULRICH TIGGES:
Kann man Mauersegler gezielt ansiedeln?

Mit der Ansiedlung von Vögeln beschäftigen sich zahllose Publikationen. Die Hinweise beschränken sich regelmäßig auf biologische Daten der Avifauna, Angaben zum Lebensraum und die Form der spezifischen Nisthilfen. Hinweise darauf, wie man bestimmte Vogelarten gezielt ansiedeln kann, sind selten und fehlen meines Wissens beim Mauersegler (Apus apus). Im Gegenteil, in älterer Literatur finden sich Hinweise darauf, daß man den Mauersegler am Beziehen von Nisthilfen hindern wollte. Brehms Tierleben zitiert Daumerlang, der Mauerseglern den Kopf oder die Flügel mit Ölfarbe bestrich und ihnen Kragen aus Pappe überstülpte, um sie an der Besitznahme eines für Stare reservierten Nistkastens zu hindern. Zum Glück haben sich die Zeiten geändert und Sharrock berichtet, daß z. B. die Behörden in Amsterdam keine Baugenehmigung für Dacherneuerungen mehr erteilen, wenn nicht Zugänge für Mauersegler vorgesehen werden, und in Berlin wurden 1994 als gutes Beispiel vom Bezirksamt Zehlendorf am Rathaus Nistkästen für Mauersegler angebracht.

Hier soll nun von einem Versuch berichtet werden, Mauersegler an einem für diese Art ungewohnten und schwierig zu erreichenden Platz anzusiedeln. Ich hatte 1988 bereits einen Doppelnistkasten für Mauersegler gebaut und in ein zur Straßenseite gelegenes Fenster meiner Wohnung im vierten Obergeschoß montiert. Seit 1990 brütet hier ein Mauerseglerpaar jedes Jahr erfolgreich. In der Absicht, weitere Paare anzusiedeln, hängte ich 1991 drei einzelne Nistboxen auf der Hofseite der Wohnung auf, die jedoch unbesetzt blieben.

Nach den Hinweisen in den "Schutzmöglichkeiten für Mauersegler" von Kaiser baute ich einen großen Koloniekasten mit 10 Nistboxen und ersetzte 1994 damit zwei der Einzelgehäuse auf der Hofseite. In dem Beitrag berichtet Kaiser von seinen Erfahrungen, daß sich Mauersegler beim Entdecken neu geschaffener Nistplätze schwer tun und daß sie auf diese oft erst durch die in dieser Hinsicht viel findigeren Stare und Sperlinge aufmerksam gemacht würden. Mit dieser Beobachtung liefert Kaiser den Schlüssel zur Lösung des Problems einer geplanten Ansiedlung von Mauerseglern.

Mauersegler, die in Kolonien leben, fliegen regelmäßig die Höhlen anderer brütender Artgenossen an. Das Verhalten deutet Kaiser als Nistplatzkontrolle. Es geschieht in der Absicht, frei gewordene Brutplätze aufzuspüren und sofort wieder zu besetzen. Beide Beobachtungen führen zu folgender Frage: Ist es möglich, über die bloße Bereitstellung von Nisthilfen hinaus, Mauersegler anzusiedeln, indem man ihnen vortäuscht, daß an einer gewünschten Stelle Artgenossen brüten? Die Frage kann durch ein Experiment geklärt werden.

Das Experiment wird vorbereitet

Der Versuchsaufbau ist einfach strukturiert. Es wurden Mauerseglerduette aus einer Bruthöhle auf Tonband aufgenommen und im Experiment an einem neu geschaffenen, nicht bewohnten Nistgerät abgespielt, sobald Mauersegler am Himmel zu sehen waren.

Der Nistkasten

Der zur Besiedlung vorgesehene Nistkasten wurde auf die Fensterbank des 4. Obergeschosses eines Berliner Altbaus gesetzt. Er enthält 10 Nistboxen mit den Maßen 305 x 170(160) x 150 bzw. 305 x 170(160) x 130 mm. Die runden Einschlupflöcher haben einen Durchmesser von je 50 mm. Als Rückwand wurde eine Glasscheibe verwendet. Die einzelnen Boxen wurden in zwei Etagen angeordnet. Der Boden der unteren Ebene schließt - zwecks optimaler Beobachtungsmöglichkeiten - mit dem Fensterrahmen ab. Der Platz zwischen diesem Koloniekasten und der Fensterbank wurde nach wenigen Tagen mit Gärtnerdraht versehen, um die Ansiedlung von Stadttauben zu verhindern.

Das Fenster liegt im spitzen Winkel einer Hinterhofanlage und 1,3 m neben einer vorspringenden Wand (s. Abbildung).

Vogelkonzert

Von den zehn Einfluglöchern des Koloniekastens wurden, der Empfehlung Kaisers folgend, nur zwei geöffnet. Der Lautsprecher wurde zunächst auf, später unter dem Nistgerät plaziert. Es wurden mehrere Mauerseglerduette auf einer Tonkassette unmittelbar hintereinandergeschnitten. Sie wurden abgespielt, wenn am Himmel über dem Hof Mauersegler zu sehen waren.

Am zweiten Tag wurde eine Silhouette in Form eines Mauerseglers zuhilfe genommen. Sie wurde zunächst mit einem Reißnagel an einem dritten Loch befestigt, später, um durch Wind Bewegung zu erzielen, an einem längeren Faden aufgehängt. Nur ein Vogel untersuchte die Attrappe, alle anderen schienen sie zu ignorieren, weswegen sie nach einigen Tagen wieder entfernt wurde.

Die Mauersegler kamen

Zu unserer Freude reagierten die Mauersegler aber auf das Abspielen der Duettrufe! Bereits am ersten Tag flog ein Einzeltier zweimal auf die Schallquelle zu. Nach einem Monat gab es erste, mehrfache Berührungen der Nisthilfe. Nach weiteren sechs Tagen schlüpfte das erste Tier in die neue Brutbox ein.

Beschallungsversuche insgesamt: ca. 16 an 13 Tagen.

Beim Abspielen des Tonbandes reagierten die Mauersegler teils unmittelbar, teils nach wenigen Minuten. An manchen Tagen blieb eine Reaktion aber auch völlig aus. Hierfür gibt es mehrere Erklärungen. Zum einen gehörte ein Teil der Tiere, die vom Beobachtungsstandort aus gesehen wurden und für die das Abspielen des Tonbandes in Gang gesetzt wurde, nicht der Kolonie an. Sie waren Mitglieder einer benachbarten Mauerseglergesellschaft und damit nicht vorrangig am Geschehen interessiert. Zum anderen zog die Gruppe um die Mittagszeit oft aus dem Koloniegebiet fort, was Auswirkungen auf ihre Reaktionsbereitschaft hatte, und letztlich muß berücksichtigt werden, daß es Zeiten oder Situationen gibt, in denen die Gruppendynamik oder uns unbekannte Faktoren die Segler andere Verhaltensweisen vorziehen lassen.

Bei im Sinne des Versuches positiven Reaktionen zeigten sie zunächst neben dem üblichen Kreisen am Platz zwei unterschiedliche Suchverhalten. Solange sie die Lautquelle noch nicht lokalisiert hatten, patrouillierten sie direkt unterhalb der Dachrinnen entlang oder sie suchten an den Stutzen der Regenwasserrohre. Beides sind diejenigen Stellen, an denen sich am Ort üblicherweise die Nistplätze der Mauersegler befinden. Dieses Verhalten wurde nie ganz aufgegeben. Desweiteren folgte ein Segler einem Sperling bis zur Dachrinne, was ebenfalls ein typisches Nistplatzsuchverhalten darstellt.

Zum artspezifischen Verhalten der Mauersegler gehört es, Kreise zu fliegen. Das liegt daran, daß sie sich aufgrund der Morphologie der Füße nicht auf einem Zweig oder einer Fensterbank niedersetzen können, um einen bestimmten Platz oder ein sie interessierendes Geschehen zu beobachten. Das Kreisen an den entsprechenden Stellen ist unter diesen Bedingungen also eine optimale Lösung des Vorgangs. An Brutplätzen ist eine Variation dieser typischen Flugbewegung zu beobachten. Hier liegen die Einschlupflöcher am Scheitelpunkt von Kreisflügen. Die Flugmuster werden zum ganz überwiegenden Teil als Linkskreise ausgeführt.

Werden die Nistkästen entdeckt?

Unter den geschilderten Gegebenheiten war es den Mauerseglern nicht möglich, den angebotenen Nistkasten mit den zugehörigen Lauten bei ihren Erkundungsflügen zu sehen, da die Nestanlage hinter einer Wand verborgen lag, die bei den üblichen linksdrehenden Kreisen die Sicht versperrte. Trotzdem flog bereits am ersten Tag des Experimentes zweimal ein Mauersegler direkt auf die Schallquelle zu, wobei er allerdings etwa zwei Meter vor ihr abdrehte. Am zweiten Tag verringerte sich bei zwei weiteren Anflügen der Abstand auf ca. 10 cm. Am siebten Tag hatten die meisten Segler der Kolonie das normale Verhalten umgestellt und zogen im Hof nun überwiegend Rechtskreise. Auf diese Weise flogen sie der Schallquelle entgegen und hatten sie nun im Blick.

Mauersegler sind soziale Tiere und verrichten in unseren Breiten im großen und ganzen alle Aktivitäten in Geselligkeit. Hierzu gehören nicht nur die gesellschaftliche Jagd und die "Flugspiele", bei denen sie laut rufend durch ihr Revier jagen, sondern auch die paarweisen und kollektiven Nistplatzinspektionen. Diese laufenden Kontrollen der den Tieren bekannten Brutplätze dienen einerseits der unmittelbaren individuellen Vorteilnahme (sobald ein Brutplatz nicht mehr von einem Männchen oder einem Weibchen besetzt ist, können fehlende Tiere sofort entsprechend ersetzt werden), als auch dem Zusammenhalt der Koloniemitglieder. Die Brutplätze stehen im Mittelpunkt der sozialen Aktivitäten einer Kolonie und sind Zentralstellen von Flugbewegungen. Vor Nisthöhlen sind bestimmte Flugmuster zu beobachten, zu denen u. a. die Kreisflüge gehören. Diese Flugbilder erfordern aufgrund der hohen Fluggeschwindigkeit der Segler einen bestimmten Raumbedarf.

Der Platz unmittelbar vor dem Nistkasten des Experimentes ist eng umgrenzt. An drei Seiten schließen Mauern den Luftraum. Die Öffnung zwischen den Gebäudewänden im Vorfeld liegt bei 6,09 m, so daß hier Kreisflüge nicht möglich sind.

Umstellung des Verhaltens

Auch wenn die Tiere durch den Menschen auf die Niststätte aufmerksam gemacht wurden, vollbrachten sie bis zur Erkundung der neuen Bruthöhle dennoch außergewöhnliche Leistungen.

1. Die Form des Nistgerätes war ihnen völlig neu und entsprach nicht dem, womit sie aufgrund ihrer Erfahrungen hätten rechnen können. Die besetzte Holzbox an der Straßenfront hat eine andere Form und die Einfluglöcher sind rechteckig.

2. Das Nistgerät und damit die Schallquelle lagen bei üblichem Verhalten außerhalb des Blickfeldes; die Tiere mußten ihre bevorzugten Fluggewohnheiten modifizieren, um die Schallquelle zu lokalisieren und den Holzkasten mit den Einfluglöchern sehen zu können.

Kann man Mauersegler auch an ungewöhnlichen Orten gezielt ansiedeln?

Mit dem Einschlupf ist das Experiment erfolgreich verlaufen und der Beweis erbracht, daß Mauersegler gezielt auf Bruthöhlen aufmerksam gemacht und damit angesiedelt werden können. Ob es im speziellen Fall tatsächlich zu Bruten kommen wird, wird im wesentlichen davon abhängen, wie die Tiere sich an die örtlichen Gegebenheiten anpassen und mit dem sehr beengten Raum vor dem Nistkasten zurechtkommen können. Dazu wird nicht nur eine dauernde Änderung von Fluggewohnheiten vonnöten sein, sondern ein Ritus im Sozialverhalten der ganzen Kolonie ist umzustellen: Kreisflüge und andere, spezifisch vor Nistplätzen zu vollziehende Flugbilder sind in der üblichen Form nicht möglich.

Es ist denkbar, daß die Möglichkeit, derartige Flugmanöver vollziehen zu können, einen entscheidenden Einfluß auf die Nistplatzwahl der Mauersegler ausübt. Trotz Nistplatzmangels wurden seit 1991 die drei Einzelboxen, die an derselben Stelle angebracht gewesen waren, nicht als Brutplatz angenommen, obwohl sie vereinzelt von Mauerseglern angeflogen worden waren.

Da aufgrund von rekonstruktiver Bautätigkeit am Ort Nistplatzmangel bei Mauerseglern herrscht, zielen die Ereignisse nun auf eine neue Fragestellung. Welche Anziehungskraft üben besetzte Nisthöhlen (die hier durch das Abspielen der Duette suggeriert wurden) und die dazugehörenden Sozialkontakte der Koloniemitglieder auf nistplatzsuchende Individuen aus? Ist sie stärker als die Gewohnheit und die - wohl genetisch bedingte - Bevorzugung der linksgerichteten Kreisflüge?

Nachtrag

Bei der Fortsetzung der Anlockungsversuche im Mai 1995 zeigte sich, daß das Optimum an Effizienz beim Anlocken dann erzielt werden kann, wenn der Lautsprecher so plaziert ist, daß die wiedergegebenen Mauerseglerduette direkt aus den Einschlupflöchern abgestrahlt werden. Hierbei entfällt für die Tiere das Suchen der Einflugmöglichkeiten völlig und sie wissen sofort, wo die Bruthöhle zu finden ist. Am ersten Tag flogen sie die entsprechenden Löcher an ("Testen"), am zweiten Tag übernachteten bereits 2 Tiere in der neuen Nistanlage. Beachten sollte man dabei jedoch, daß die Tiere auf Veränderungen der Nisthöhle empfindlich reagieren. Um dieses Problem zu vermeiden, habe ich für die Zeit der Beschallung anstelle der Glasscheibe Papier angebracht, das nach Wiedererrichtung der vorgesehenen Glasrückwand dort verblieb.

 

References

Bezirksamt Neukölln Vermessungsamt (Ed.) (1980): Karte von Berlin 1:4000, Blätter 3135 und 4131; adapted
Bezzel, Einhard (1985): Kompendium der Vögel Mitteleuropas. Nonpasseriformes. Wiesbaden: 674
Bolund, Lennart (1987): Nest Boxes for the Birds of Britain and Europe. Nottinghamshire
Brehms Tierleben (1927): Nach der zweiten Originalausgabe bearbeitet von Otto Evers. Hamburg, Vögel Vol. 1: 259.
Kaiser, Erich (1992): Populationsdynamik einer Mauersegler- Apus apus Kolonie unter besonderer Berücksichtigung der Nichtbrüter. Die Vogelwelt 2:71
Kaiser, Erich. (1993): Schutzmöglichkeiten für Mauersegler. Zeitschrift Vogelkunde, Naturschutz in Hessen, Vogel und Umwelt 7.
Keil, Werner (1991): Artgerechte Niststätten für heimische Vögel. Niedernhausen/Ts.
Massny, Helmut (1990): Vögel in unserem Garten. Leipzig
Schreiber Rudolf (Ed.) (1993): Tiere auf Wohnungssuche. Berlin
Sharrock, J. T. R. (1976): The atlas of breeding birds in Britain and Ireland. Tring. Cited after Cramp, Stanley (Ed.) (1994): Handbook of the Birds of Europe, the Middle East and North Africa. Oxford-New York, Vol. 4: 658.
Tigges, Ulrich (1994): Beobachtungen am Mauersegler (Apus apus) und Bericht über eine Spätbrut 1993. Berliner ornithologischer Bericht 4: 135

(Printed 1995 in Der Falke. Republished with permission.)
© APUSlife 1997, No. 0041

 

Go to the previous articleGo to the next articleGo to table of contentsGo to magazine home pageGo to Swift home