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ARN[-WILLI], H[AN]S:

Einfluss der Regenperiode auf das Brutgeschäft der Alpensegler

Die Ei-Ablage der Alpensegler setzte in der Jesuitenkirche in Solothurn, nach schönem Frühlingswetter am 13. Mai 1948 ein. Am 20. Mai konnten in 55 Nestern dieser Brutkolonie bereits 117 Eier gezählt werden.

Der 14. Juni zeigte als Stichtag folgendes Ergebnis: Ein Nest mit 4 Jungen = 4 Junge; 24 Nester mit 3 Jungen = 72 Junge; 22 Nester mit zwei Jungen = 44 Junge; 10 Nester mit einem Jungen = 10 Junge; insgesamt 130 Junge. - 4 Nester mit 3 Eiern = 12 Eier; 13 Nester mit 2 Eiern = 26 Eier; 6 Nester mit - einem Ei = 6 Eier; 4 Nester verlassen. Insgesamt 84 Nester mit total 44 Eiern und 130 Jungen.

Dieses Resultat liess eine ausserordentlich gute Aufzucht erwarten. Doch es kam anders. Der Wettergott hat an seinem Kalender die falschen Zettel abgerissen und glaubte sich bereits in den Herbst versetzt. In den Wohnungen musste man die Oefen wieder heizen, wenn man nicht frieren wollte. Für die Segler gab es diese Möglichkeit nicht. Ihnen fehlte nicht nur die Wärme für sich und die Jungen, sondern vielmehr das Futter und die Nahrung. Bei meinen bisherigen Beobachtungen gab es immer wieder Jahre mit Schlechtwetterperioden, sie dauerten aber jeweilen nicht sehr lange. Solche Zeiten konnten überbrückt werden. Die diesjährige Regen- und Kältewelle jedoch dauerte so lange, dass ein Ausgleich und Aufholen nicht mehr möglich wurde. Der Wetterumsturz erfolgte bei uns am 15. Juni mit einem Gewitter. Von da an blieb das Wetter „beständig" bis zum 19. Juli. De tiefsten Tagestemperaturen wurden mit 6 Grad gemessen.

Das Ergebnis der Nesterkontrolle nach zwei Wochen, d.h. am 27. Juni ergab folgendes Bild: 18 Nester mit drei Jungen = 54 Junge; 23 Nester mit zwei Jungen = 46 Junge; 17 Nester mit einem Jungen = 17 Junge; insgesamt 117 Junge. - l Nest mit drei Eiern = 3 Eier; 7 Nester mit zwei Eiern = 14 Eier; 3 Nester mit einem Ei = 3 Eier; 19; Nester verlassen; insgesamt 20 Eier. Das ergibt gegenüber der Zusammenstellung vom 14. Juni, trotz der Zunahme von vier Nestern, einen Abgang von 37 Jungen oder Eiern. Dieses Resultat entspricht frühern Ergebnissen. Wäre nun eine Wetterbesserung eingetreten, hätte mit einer normalen Weiterentwicklung gerechnet werden können. Das war aber nicht so. Für den 10. Juli hatte ich die Beringung der Jungen vorgesehen, konnte in der Zwischenzeit aber keine Kontrolle mehr machen. Das Bild, welches uns die Brutkolonie in der Jesuitenkirche bot, war niederschlagend. Man brauchte die Augen nicht, um den Zustand festzustellen, man „roch" ihn. Die Jungen lagen in den meisten Nestern tot, die Köpfchen am langen Hals über den Nestrand hinaushängend. Zum Teil waren bereits Maden mit der Aufräumungsarbeit beschäftigt. Die Lausfliegen krabbelten ebenfalls als elende Gestalten auf den kleinen Vogelleichen herum. Auch einige Altsegler liegen tot bei den Nestern. Als ich sechs Junge beringt hatte, stellt ich die Arbeit ein. Ein Weiterfahren wäre sinnlose Ringverschwendung gewesen, denn alle Junge waren sehr schwach entwickelt. Ich zählte noch 26 Stück, und zwar: 4 Nester mit zwei Jungen = 8 Junge; 18 Nester mit einem Jungen = 18 Junge.

Während dieser Regenperiode hatte ich das Verhalten der Alpensegler ausserhalb der Kolonien aufmerksam verfolgt. In den ersten zwei Wochen bemerkte ich nichts Auffälliges. Später hörte das spielende Jagen vollständig auf, selten sah ich jagende Vögel. Am 13. Juli, als man glaubte, jetzt gebe es eine Wetterbesserung, es war etwas wärmer geworden, flogen die Segler, wie zu normalen Zeiten, am Morgen toll um die Brutkolonien. Es handelte sich leider nur um falschen Alarm. Bei der Bieltorkolonie war es ebenfalls still, keine Einflüge mehr zu beobachten. Hier ging ich nicht nachschauen, ich hatte genug von der Jesuitenkirche.

Am 27. Juli, nach den schönen Tagen des Alpenvogellehrkurses, besuchte ich beide Kolonien. Ich erwartete nicht viel Gutes, dass aber in der Jesuitenkirche nur noch 3 Junge lebten und im Bieltor überhaupt alle tot waren, das ging doch über meine Befürchtungen hinaus.

Wir wollen einmal rekapitulieren wie es gekommen wäre wenn ... Die Kontrolle der Eiablage und der geschlüpften Jungen sind nachstehend zusammengefasst: Jesuitenkirche: 88 Nester besetzt (1947: 64), geschlüpft: ein Nest mit 4 Jungen = 4 Junge; 28 Nester mit 3 Jungen = 84 Junge; 26 Nester mit 2 Jungen = 52 Junge; 12 Nester mit einem Jungen = 12 Junge; insgesamt 67 Nester mit total 152 Jungen. - Eier: 4 Nester mit 3 Eiern = 12 Eier; 11 Nester mit 2 Eiern = 22 Eier; 6 Nester mit einem Ei = 6 Eier; insgesamt 21 Nester mit total 40 Eiern. Gesamttotal = 192 Junge und Eier. - Bieltor: 36 Nester besetzt (1947: 40), geschlüpft: 18 Nester mit 3 Jungen = 54 Junge; 11 Nester mit 2 Jungen = 22 Junge; ein Nest mit einem Jungen = 1 Junges. Insgesamt 30 Nester mit total 77 Jungen. - Eier: 1 Nest mit 3 Eiern = 3 Eier; 5 Nester mit 2 Eiern = 10 Eier; insgesamt 6 Nester mit total 13 Eiern. Gesamttotal: 90 Junge und Eier.

Der Totalbestand an Jungen hätte damit rund 280 Vögel betragen können. In einem normalen Jahr hätte bis zum Ausfliegen mit einem Abgang von 20 Prozent gerechnet werden müssen, sodass ungefähr 200 bis 230 junge Alpensegler ausgeflogen wären. Heute leben noch 3 Junge, und, ob diese zum Ausfliegen kommen ist sehr zweifelhaft. Diese, hier mit Zahlen belegte Tragödie wird sich in allen Alpenseglerkolonien und auch bei den Mauerseglern abgespielt haben. Im Bieltor fand ich einen Altvogel tot auf seinen zwei Eiern liegen; ich glaubte ihn zuerst noch brütend anzutreffen. Solche Ergebnisse reizen immer wieder zu Vergleichen. Im „Niethammer: Vogelkunde" ist in Bd. 2 page 45 eine Beobachtung von Hugues 1907 zit., nach welcher der Mauersegler zwanzig Tage ohne Futter leben könne (fasten, steht wörtlich). Mauer- und Alpenregler sind in ihrem Wesen so nahe verwandt, dass diese Beschreibung auch auf den Alpensegler zutreffen sollte Die Praxis dieses Jahres hat nicht gezeigt, dass Mauer- und Alpensegler solange ohne Futter bleiben konnten.

Zum Schluss dieser Trauerbotschaft möchte ich noch etwas Positives berichten.

Bis zum Beginn der oben beschriebenen Katastrophe hatte ich Gelegenheit 89 Alpensegler im Bieltor und in der Jesuitenkirche zu kontrollieren. Davon sind 56 Individuen als Jungvögel beringt worden. Nachstehend das Ergebnis der Berechnung des Alters dieser als nestjung beringten Alpensegler.

1 Alpensegler beringt 1947 1 Jahr alt

4 " 1946 2 Jahre alt

6 " 1945 3 "

8 " 1944 4 "

5 " 1943 5 "

9 " 1942 6 "

4 " 1940 8 "

3 " 1939 9 "

1 " 1938 10 "

4 " 1937 11 "

4 " 1936 12 "

3 " 1935 13 "

2 " 1934 14 "

2 " 1932 16 "

Die beiden 16jährigen Kerle waren körperlich sehr gut beieinander, man sah ihnen das Alter nicht an. Damit soll über das erreichbare Alter der Alpensegler nicht abschliessend geurteilt werden, die später wiederholten Kontrollen werden bestimmt noch höhere Werte geben. Das Geburtsjahr der beiden alten Vögel war der Beginn meiner Untersuchungen am Alpensegler in Solothurn.

Abschliessend ist festzustellen, dass der diesjährige Misserfolg im Brutgeschäft den Weiterbestand der Kolonien kaum beeinflussen wird. Die Altsegler sind wieder gut im Schuss. Das bisherige Wetter der letzten vierzehn Tage hat dazu beigetragen. Da sie jetzt für die Brutpflege nicht in Anspruch genommen werden, haben sie Gelegenheit, sich zu erholen. Sie haben es notwendig, sie sind ausserordentlich abgemagert. Des Morgens und abends tollen sie um die Brutplätze und fliegen in die Kolonien ein, als ob sie füttern würden.

(Printed 1948 in Die Tierwelt.)
©APUSLife 1998, No. 0425

 

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